Frauen im Gaming: Caroline Marchal von INTERIOR/NIGHT: HERO

Frauen im Gaming: Diverse Teams machen auch diverse Spiele – Caroline Marchal von INTERIOR/NIGHT

Gaming wird immer vielseitiger, diverser und auch weiblicher! Anlässlich des Women‘s History Month widmet Xbox den März den weiblichen Stimmen innerhalb der Gaming-Branche. Freue Dich auf unsere spannende Interviewreihe mit Entwicklerinnen, Redakteurinnen, Streamerinnen und weiteren Frauen, die einzigartige Einblicke in ihren Job geben. Den Anfang macht Caroline Marchal, Gründerin des Studios INTERIOR/NIGHT, das an dem kommenden Titel As Dusk Fallsarbeitet. Das Interview führten unsere Kollegen von Xbox Wire Frankreich, der Original-Artikel erschien zuerst im Oktober 2020.

As Dusk Falls wurde im Juli 2020 für Konsole und PC angekündigt und soll sich ganz auf ein interaktives Storytelling konzentrieren. Im Interview erzählt Caroline mehr zu As Dusk Falls, plaudert aus ihrer Gaming-Laufbahn und spricht über die Zukunft der Branche.


Caroline, wann hast Du Videospiele für Dich entdeckt?

Ich habe verhältnismäßig spät mit Gaming angefangen – erst mit 18 Jahren. Tomb Raider und Metal Gear Solid haben mir gezeigt, wie man Abenteuer und Geschichten in Videospielen erleben kann. Für mich war das etwas ganz Besonderes und ich habe mich mehr und mehr zum Gaming hingezogen gefühlt – nicht zuletzt, weil ich auf Dinge gestoßen bin, die völlig überraschend und neu waren. Von Anfang an fasziniert mich, wie Geschichten durch das Gameplay einen tieferen Sinn erhalten – das ist bei keinem anderen Medium so möglich. Mich beeindrucken bis heute Spiele wie Return of the Obra Dinn, die sich diese Wechselwirkung zu Nutze machen. Mittlerweile finde ich zwar weniger Zeit zum Zocken, aber wenn doch, spiele ich vor allem Koop-Titel. Mit meinem Partner zocke ich derzeit Divinity.

Frauen im Gaming: Caroline Marchal von INTERIOR/NIGHT: Caroline Marchal
Caroline Marchal, Gründerin INTERIOR/NIGHT

Wie bist Du auf die Idee gekommen, aus Gaming einen Beruf zu machen?

Als ich mit der Schule fertig war, gab es keine Ausbildungsmöglichkeiten im Bereich Videospiele. Ich hatte anfangs also gar nicht daran geglaubt, dass ich dieses Hobby mit meiner beruflichen Laufbahn verknüpfen könnte. Ich habe mich mit digitaler Kunst beschäftigt und bin schließlich in meinem Master-Studiengang auf den Beruf Videospielautor*in gestoßen. Zur selben Zeit spielte ich gerade Nomad Soul und stellte überrascht fest, dass der Titel von französischen Entwickler*innen stammte – nämlich Quantic Dream. Ehe ich mich versah, stand ich als Praktikantin in den Räumlichkeiten von Quantic Dream und lernte Game Design.

Warum hast Du Dich entschieden, ein Studio zu gründen?

Ich war 11 Jahre lang bei Quantic Dream und habe dort an drei Spielen mitarbeiten können, bevor ich dann nach London zog. Nach 15 Jahren in der Branche hatte ich das Gefühl, dass der richtige Zeitpunkt gekommen war. Ich sagte mir: Ich bin über 35 Jahre alt, ich habe ein Konzept, an das ich glaube, und kenne Leute, die mir dabei helfen können, mich zu etablieren. Da habe ich den Schritt gewagt. Ich wollte die kreative Kontrolle haben, mir die Leute auszusuchen, mit denen ich arbeite, und keine Kompromisse mehr eingehen. Ich glaube, es war ein Vorteil, dass ich in London war: Die Unternehmer*innen in dieser Stadt unterstützen sich gegenseitig und es ist leicht, dort eine Firma aufzubauen. Man fühlt sich von der Unterstützung der Gemeinschaft getragen. Aber in erster Linie habe ich ein Studio gegründet, um innovative neue Titel mit einzigartigem Erzählcharakter zu erschaffen. Bei As Dusk Falls zum Beispielwollte ich die Freiheit haben, gleichzeitig die Geschichte und die Gameplay-Mechanismen zu entwerfen.

Worin liegt Deiner Meinung nach die Stärke von Spielen mit ausgeprägtem Storytelling?

Ich beobachte, dass solche Titel viel öfter zu Ende gespielt werden als solche aus anderen Genres. Das halte ich für eine große Stärke. Darüber hinaus sind viele Menschen immer noch eingeschüchtert von komplexen Spielmechaniken – sie haben Angst zu scheitern. Ich will ihnen die Möglichkeit geben, interaktives Storytelling zu entdecken, das zu einer völlig neuen Gaming-Erfahrung beitragen kann. Mit einem Controller oder einer Maus interagiert man ganz anders mit der Geschichte, als wenn man nur als Zuschauer*in teilnimmt. Aktives Handeln anstelle von bloßem Zusehen erzeugt mehr Emotionen, die das Erlebte noch einprägsamer machen.

Wie erlebst Du es, heutzutage als Frau in der Branche tätig zu sein?

Ich denke, heutzutage ist es in erster Linie ein Vorteil, als Frau ein Studio zu leiten. Man wird eher empfangen und findet leichter Gehör, auch wenn das nicht immer so war. Es scheint, als habe die Branche verstanden, dass Diversität notwendig ist, um ein neues Publikum anzusprechen und gleichzeitig auch bestehenden Spieler*innen Neues anzubieten. Auch die Entwickler*innen haben das verstanden. Mir ist es daher äußerst wichtig, ein gemischtes Team zu haben. Es ist das beste Mittel, um verschiedene Standpunkte glaubwürdig zu vertreten und die Qualität der Geschichte zu steigern. Bei Bewerbungen versuchen wir aktiv, Frauen oder Personen mit unterschiedlichen Hintergründen in das Team zu holen. Es macht einfach mehr Spaß, nicht so eindimensional zu sein. Es gibt aber immer noch Berufe, in denen man nur sehr wenige Frauen findet – etwa in der Programmierung. Ich hoffe, das ändert sich in der kommenden Generation und mehr Mädchen lernen Programmieren.

Frauen im Gaming: Caroline Marchal von INTERIOR/NIGHT: As Dusk Falls

Glaubst Du, dass sich diese vielseitigeren Entwickler-Teams auch auf die Spiele auswirken?

In der Indie-Szene lässt sich der Einfluss bereits jetzt erkennen. Auch in anderen Produktionen gibt es Fortschritte – sowohl bei den männlichen als auch den weiblichen Charakteren. Bestes Beispiel: Lara Croft, die damals als Inbegriff des Feminismus gelten sollte und trotzdem mit großen Brüsten und knappen Shorts designt wurde. Heute gibt es  Spiele mit realistischeren weiblichen Charakterdesigns wie Life is Strange oder Tell Me Why. In Overwatch beispielsweise sind die Rollen sehr vielfältig besetzt – das ist super! Aber was die Persönlichkeiten sowohl männlicher als auch weiblicher Charaktere angeht, liegt noch ein langer Weg vor uns – und genau hier wollen wir mit As Dusk Fallsansetzen. Wir möchten nicht nur eine, sondern mehrere Generationen in den verschiedenen Rollen abbilden – Kinder, Mittdreißiger, Großeltern und mehr. Außerdem entwickeln wir Charaktere, die gelegentlich schwach oder verzweifelt sind und ihre individuellen Fehler mitbringen. Im Fernsehen sieht man solche unvollkommenen Charaktere bereits, denn sie machen die Figur erst realistisch. Ich denke, dass wir in vielleicht 10 Jahren ähnlich viele authentische Charaktere auch in Videospielen sehen. Dann werden wir zurückschauen und uns sagen: Das war erst der Anfang.

Wir danken Caroline Marchal dafür, dass sie sich Zeit für unsere Fragen genommen hat. Weitere Informationen zu As Dusk Falls, weitere Interviews und die aktuellsten News aus dem Xbox-Kosmos findest Du schon bald hier auf Xbox Wire DACH.