Halo Studios: Neuer Name, neue Engine, neue Spiele und eine neue Philosophie
Im Vorfeld des Finales der Halo World Championship 2024 wurde überraschend ein neues Video veröffentlicht. Es zeigte Landschaften, wie man sie aus der Halo-Reihe kennt: Forerunner-Architektur inmitten einer dramatischen Umgebung, inspiriert vom Pazifischen Nordwesten. Neben wunderschönen Eisfeldern war sogar ein Landstrich zu sehen, der von der Sintflut verwüstet worden ist. Natürlich tauchten auch Master Chief und seine legendären Feinde auf und selbst eine Banshee flog in hohem Bogen durch das Bild. Doch was wir gesehen haben, war kein Blick zurück. Es war der Beginn von etwas völlig Neuem.
Für Halo bricht eine neue Ära an. Die neuen Visuals wurden mit der Unreal Engine 5 erstellt – und wie wir erfahren haben, werden auch künftige Halo-Projekte auf diese Engine setzen. Neben dem Wechsel der Engine erlebt das Studio aber auch Veränderungen in seiner Kultur, etwa in den Arbeitsabläufen und der Organisation seiner Teams. Und um diesem Wandel Rechnung zu tragen, ändert 343 Industries seinen Namen: Lasst uns die Halo Studios willkommen heißen.
Studioleiter Pierre Hintze sieht in diesem Schritt keinen Schlussstrich, sondern vielmehr das Umblättern einer Seite:
„Wenn man sich Halo genauer ansieht, gab es zwei sehr unterschiedlichen Abschnitte. Kapitel 1: Bungie. Kapitel 2: 343 Industries. Ich glaube, wir haben eine Community, die sich mehr wünscht. Wir werden also nicht nur versuchen, die Effizienz der Entwicklung zu verbessern, sondern das Rezept als solches zu ändern. Und damit schlagen wir ein neues Kapitel auf.“
Der erste Schritt
Der Wechsel von der studioeigenen Slipspace-Engine zu Unreal ist ein wichtiger Teil dieser Veränderung. Früher benötigte 343 Industries einen großen Teil seines Personals allein für die Entwicklung und Instandhaltung der Engine, über die die Spiele liefen. „Die Konsumgewohnheiten der Gamer*innen haben sich geändert – die Erwartungen, wie schnell neue Inhalte verfügbar sein sollten“, sagt Hintze. „Für Halo Infinite haben wir ein Tech-Stack entwickelt, der uns für die Zukunft rüstet und gleichzeitig dazu in der Lage ist, Spiele zu entwickeln.“
Da sich die Gamingwelt weiterentwickelt und immer mehr Spieler*innen darauf hinweisen, dass es ihnen zu lange dauert, bis neue Spiele ihrer Lieblingsserie erscheinen, hat sich das Team der Halo Studios entschieden, zu reagieren. COO Elizabeth van Wyck sagt dazu:
„Die Art und Weise, wie wir Halo Spiele früher entwickelt haben, lässt sich nicht auf die Vorstellungen übertragen, die wir für die Zukunft der Reihe haben. Ein Teil der Gespräche drehte sich also darum, wie wir dem Team helfen können, sich tatsächlich auf die Entwicklung der Spiele zu konzentrieren – statt auf die Entwicklung der dafür nötigen Tools und Engines.“
Neben den umfassenden Änderungen in der Struktur des Studios (mehr dazu erfährst Du weiter unten) bedeutet der Wechsel auf Unreal, dass die Halo Studios ihren Fokus noch präziser auf jene Schwerpunkte legen können, die den Fans besonders wichtig sind. Außerdem können die Studios mehrere Teams einrichten, um parallel an verschiedenen Spielen zu arbeiten. Darüber hinaus bringt der Wechsel Vorteile mit sich, die auf der Basis von Slipspace nur mit jahrelanger Arbeit zu erreichen gewesen wären:
„Bei allem Respekt, aber einige Komponenten von Slipspace sind fast 25 Jahre alt“, erklärt Studio Art Director Chris Matthews. „Obwohl 343 die Engine kontinuierlich weiterentwickelt hat, verfügt Unreal über Features, die Epic schon seit geraumer Zeit entwickelt, die uns in Slipspace aber nicht zur Verfügung stehen. Es hätte uns sehr viel Zeit und Ressourcen gekostet, diese zu replizieren.“
„Eines unserer Hauptanliegen ist es, die Welt zu vergrößern, damit die Spieler*innen noch besser mit ihr interagieren und mehr erleben können. Mit Nanite und Lumen [den Rendering- und Beleuchtungstechnologien von Unreal] haben wir die Möglichkeit, dies auf eine Art und Weise zu tun, die die Branche noch nicht gesehen hat. Für uns Designer*innen ist es unglaublich aufregend, Teil dieses Prozesses zu sein.“
Es gibt noch einen weiteren großen Vorteil: Unreal ist großen Teilen der Spieleindustrie vertraut. Während Entwickler*innen bei 343 erst einmal lernen müssen, wie Slipspace funktioniert, ist es für die Halo Studios durch den Wechsel zur branchenführenden Engine viel einfacher, neue Talente zu gewinnen (und das Studio stellt jetzt tatsächlich neue Mitarbeiter*innen für seine Projekte ein).
„Es geht nicht nur um die Dauer, die es benötigt, um ein neues Spiel auf den Markt zu bringen, sondern auch darum, wie lange wir brauchen, um das Spiel zu aktualisieren, den Spieler*innen neue Inhalte zu bieten und uns an ihre Wünsche anzupassen“, sagt Van Wyck. „Ein Teil davon dreht sich um die Entwicklung und ein anderer um die Befähigung unseres Personals: Wie lange dauert es, bis ein*e Entwickler*in aus unseren Team dazu in der Lage ist, Assets zu erstellen, die in ein Spiel integriert werden können?“
Mit dem Wechsel auf Unreal ist die Einarbeitungszeit kürzer, die Erfahrung ist vorhanden und die Serie kann viel schneller und organischer wachsen als je zuvor.
Die Zukunft gestalten
Natürlich mussten sich die Halo Studios bei dem Wechsel auf Unreal sicher sein. Immerhin handelt es sich hierbei um keine Entscheidung, die leichtfertig getroffen werden sollte. Das Team musste gewährleisten können, dass sich die ersten Halo-Spiele, die nicht auf der Slipspace Engine basieren, gut aussehen, sich richtig anfühlen und gut klingen. Das Team rief ein Forschungsprojekt namens Project Foundry ins Leben und begann zu experimentieren. Daraus hervorgegangen sind auch die neuen Clips, die nun veröffentlicht wurden.
„Als wir Foundry gegründet haben, war dieser Schritt noch nicht vorgesehen“, sagt Van Wyck. „Doch wir mussten innehalten und uns klar machen, wo unsere Fähigkeiten liegen. Wir mussten sie bewerten, um zu erfahren, ob wir tatsächlich auf dem richtigen Weg sind.“
„Wir haben uns bis dato bewusst zurückgehalten, doch nun geht es darum, den Leuten zu zeigen, wo wir stehen und wo die Prioritäten unseres Studios und des Teams liegen. Wir sind wirklich stolz auf das, was durch Foundry entstanden ist.“
Hintze ergänzt: „Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass das meiste von dem, was wir im Rahmen von Foundry angestoßen haben, in Projekten zu finden sein wird, die gerade entwickelt oder für die Zukunft geplant werden.“
Und Foundry hat einen Vorgeschmack auf das geboten, was wir in Zukunft erwarten können. Benannt nach der Schmiede (auf Englisch „Foundry“), die für die Geschichte von Halo von zentraler Bedeutung ist, spiegelt das Projekt die großen Ambitionen des Teams wider, das sich daran gemacht hat, drei verschiedene Biome im Stil von Halo zu erschaffen. Das Ziel bestand darin, wie Matthews es ausdrückt, etwas Bekanntes, etwas Neues und etwas wirklich Außerirdisches zu schaffen.
Das bekannte Biotop ist vom Pazifischen Nordwesten inspiriert, einem Grundelement der Serie, das auf dramatische Art und Weise erneuert wurde. Wasserfälle stürzen über Berge, ein Bachlauf wird zum Schauplatz eines Szenarios, in dem der Chief gegen zwei Covenant-Elites antritt. Das Team konnte dank Unreal so viel Vegetation einbauen wie noch nie zuvor.
Neu ist der Schauplatz der Coldlands. Die Region ist in einem tiefen Frost gefangen, mit Schneestürmen, die die Hochebenen bedecken und Eis, das jene Elemente reflektiert, die von oben kommen und jene bricht, die weiter unten zu finden sind. Außerirdisch wird es in den Blightlands, die von einer parasitenartigen Sintflut verschluckt wurden. Mit diesem Biom wollte das Team unter Beweis stellen, wie viel größer und facettenreicher die Welt in Halo nun gestaltet werden kann – und die Ergebnisse sprechen für sich.
Selbst die vertrauten Elemente sehen in Foundry neu aus. So wurde etwa die Rüstung von Master Chief mit äußerster Sorgfalt gestaltet, bis hin zu den einzelnen Platten seiner Kampfhandschuhe. Das Energieschwert der Elitesoldat*innen fühlt sich nun weniger wie ein haptisches Objekt und eher wie ein knisterndes Rauschen aus gefährlicher Energie an. Das Ziel bestand nicht nur darin, das Studio, sondern auch die Möglichkeiten des Spiels selbst voranzubringen. Foundry wurde entwickelt, um Visionen zu realisieren, die es in Spielen mit Unreal so noch nie gegeben hat.
Die Halo Studios haben eng mit den Teams von Unreal und Epic Games zusammengearbeitet, um sicherzustellen, dass sie dieses hochgesteckte Ziel erreichen können. „Halo ist ein unglaubliches Franchise und es ist großartig zu sehen, dass die Halo Studios bereits die Grenzen der Unreal Engine 5 ausreizen“, sagt Bill Clifford, Vice President und General Manager der Unreal Engine bei Epic Games. „Es ist uns eine Ehre, das Team von Halo bei der Umsetzung seiner Visionen mit der Unreal Engine zu unterstützen. Das Project Foundry zeigt eindrucksvoll, wie die wunderschönen, mit Liebe zum Detail gestalteten Welten dazu in der Lage sind, Halo zum Leben zu erwecken.“
Natürlich definiert sich Halo nicht nur über sein Aussehen, sondern auch über das Spielgefühl – die intensiven Kämpfe, die Power der Waffen und das Gefühl, in der Rüstung von Master Chief zu stecken. Auch wenn Foundry in erster Linie Verbesserungen auf visueller Ebene in den Fokus rückt, wollen die Halo Studios die Essenz des Spiels, die Gamer*innen an Halo schätzen, bewahren:
„Ich denke, es ist hinlänglich bekannt, dass der Wechsel der Engine ein Thema ist, über das das Studio schon lange nachgedacht hat“, sagt Van Wyck. „Als die Unreal Engine 5 veröffentlicht wurde, hatten wir das Gefühl, Halo-Spiele entwickeln zu können, die die wahre Seele von Halo widerspiegeln und gleichzeitig dazu in der Lage sind, den Ansprüchen der Spieler*innen in vollem Umfang gerecht zu werden.“
„Der Geist von Halo bezieht sich auf mehr als die Optik“, stimmt Matthews zu. „Es ist die Geschichte. Es ist die Physik. Wenn man in die Rolle von Master Chief schlüpft, ist man dieser riesige Panzer eines Soldaten. Es ist die Art und Weise, wie er sich bewegt, wie er sich anfühlt. Die Leidenschaft unserer Fans für Halo ist unsere Obsession. Wir hören uns ihr Feedback nach wie vor an. Es ist die Basis jeder Initiative, die das Studio und das Spiel nach vorne bringen.“
„Wir denken über die immateriellen Dinge nach“, fügt Hintze hinzu. „Die Interaktion mit Master Chief, mit dem Spartan oder mit den Feinden. Wir sind sehr vorsichtig mit den Entscheidungen, die wir in diesem Bereich fällen – bis hin zur Präzision der Waffen und der Authentizität der Animationen. Es gibt eine ganze Reihe von Nuancen, anhand derer wir überprüfen, ob wir auf dem richtigen Weg sind.“
Über das Visier hinaus
Reden wir also darüber, was nach Foundry kommen wird. Aktuell kann das Team noch keine genaueren Details rund um die neuen Spiele verraten. Wir stehen am Anfang dieses neuen Kapitels, nicht am Ende und es ist klar, dass der Release eines neuen Halo-Titels nicht unmittelbar bevorsteht. Halo Infinite wird weiterhin durch die Slipspace-Engine unterstützt. Du kannst Dich also auf neue Missionen und Updates für den Forge-Modus freuen. Im eSport-Bereich wurde gerade die vierte Auflage der Halo Championship Series mit Halo Infinite angekündigt. Und im Hintergrund laufen die Planungen für weitere Neuerungen bereits auf Hochtouren.
Die Stille ist kein Zufall. Hintze macht deutlich, dass die Priorität gerade auf der Arbeit liegt und nicht darauf, nur darüber zu reden:
„Wir wollten unbedingt davon wegkommen, ständig neue Möglichkeiten und Must-Haves aufzuzählen. Wir sollten mehr arbeiten und weniger reden. Für mich ist es wirklich wichtig, dass wir diese Haltung bewahren, die wir uns in Bezug auf das Franchise selbst auferlegt haben – dieses gewisse Maß an Demut gegenüber den Fans.“
„Wir wollen nur dann sprechen, wenn wir tatsächlich etwas zu sagen haben und das in großem Umfang. Heute ist einer dieser Tage und wir präsentieren Foundry, weil es sich richtig anfühlt. Wir wollen den Fans von Halo unsere Pläne erklären und neue, passionierte Entwickler*innen für unser Team gewinnen. Der nächste Schritt wird darin bestehen, über die Spiele selbst zu sprechen.“
Was wir sagen können, ist, dass sich derzeit mehrere Halo-Spiele in der Entwicklung befinden. Während sich bei Halo Infinite praktisch das gesamte Studio auf ein einziges, sich entwickelndes Projekt konzentrierte, haben sich die Halo Studios inzwischen neu ausgerichtet:
„Wir haben uns unverhältnismäßig stark darauf konzentriert, die Voraussetzungen zu schaffen, die es für eine erfolgreiche Unterstützung von Halo Infinite braucht“, sagt Hintze. „Durch den Wechsel auf Unreal sind wir nun dazu in der Lage, mehrere neue Erlebnisse mit der höchstmöglichen Qualität zu entwickeln.“
Ein großer Teil dieser Umstellung bestand darin, die Struktur der Halo Studios neu zu organisieren. Nur so konnten die Teams das erhalten, was sie für die Entwicklung von Neuem benötigen.
„Letztendlich werden wir nur dann erfolgreich sein, wenn wir den Gamer*innen jene Spiele geben, die sie sich wünschen“, erklärt Van Wyck. „Das sollte die Motivation für unsere Arbeit sein. Und genau das hat die Umstrukturierung bewirkt. Wir wollen, dass die Leute, die tagtäglich die Spiele entwickeln, auch die Entscheidungen über die Spiele treffen.“
Das Team wird auch mehr Input von außerhalb des Studios einholen, um noch fundiertere Entscheidungen treffen zu können:
„Wir holen das Feedback unserer Spieler*innen noch früher und in einem noch größeren Umfang ein“, fährt sie fort. „Diesen Weg, den wir mit der Master Chief Collection begonnen und mit Halo Infinite fortgesetzt haben, möchten wir mit unseren bevorstehenden Projekten ausbauen. Am Ende des Tages geht es nicht nur darum, wie wir diesen Weg bewerten – sondern auch darum, was unsere Spieler*innen davon halten.“
343 Industries wurde einst gegründet, um Halo-Spiele zu entwickeln, doch ich habe den Eindruck, dass sich das Studio nun voll und ganz auf dieses Ziel konzentrieren kann. Ohne Ablenkung, ohne Hindernisse – damit Spiele entstehen können, die sich präzise an den Wünschen und Vorstellungen der Fans orientieren.
„Sie haben gefragt, warum wir diese Entscheidung als neues Kapitel betrachten“, ergänzt Hintze. „Wir haben uns einen singulären Fokus gewünscht. Alle an diesem Ort sind hier, um die bestmöglichen Halo-Spiele zu entwickeln.“