Frauen im Gaming: Vielseitigkeit bereichert das Teamwork – Macha Lopez, Narrative Designer bei DONTNOD Entertainment: HERO

Frauen im Gaming: Vielseitigkeit bereichert das Teamwork – Macha Lopez, Narrative Designer bei DONTNOD Entertainment

Gaming wird immer vielseitiger, diverser und auch weiblicher! Anlässlich des Women‘s History Month widmet Xbox den März den weiblichen Stimmen innerhalb der Gaming-Branche. Freue Dich auf unsere spannende Interviewreihe mit Entwicklerinnen, Redakteurinnen, Streamerinnen und weiteren Frauen, die einzigartige Einblicke in ihren Job geben. Dieses Mal sprechen wir mit Macha Lopez, Narrative Designerin bei DONTNOD Entertainment, die unter anderem an dem Xbox Game Pass-Erfolgstitel Tell Me Why mitgearbeitet hat. Das packend erzählte Abenteuer um zwei Geschwister, die die mysteriösen Ereignisse ihrer Kindheit aufarbeiten, besticht durch unkonventionelle Charaktere und eine vielschichtige Handlung.

Im Interview erzählt Macha mehr über die Macht des Storytelling, plaudert aus ihrer Gaming-Laufbahn und spricht über den Einfluss von Indie-Games. Das Interview führten unsere Kolleg*innen von Xbox Wire Frankreich, der Original-Artikel erschien zuerst im August 2020.

Welchen Bezug hattest Du in Deiner Kindheit zu Gaming? Und hat sich dieses Verhältnis zu Videospielen im Laufe der Zeit verändert?

Als Kind und später als Jugendliche habe ich recht viel gespielt – aber eine Hardcore-Gamerin war ich wohl eher nicht. Als ich mit dem Studium begann, hörte ich schließlich ganz mit dem Zocken auf. Stattdessen habe ich mich in meiner Freizeit eher mit passiven Medien wie Filmen und Serien beschäftigt. Das Spielen habe ich erst wieder für mich entdeckt, als ich mit dem Gedanken spielte, in dieser Branche zu arbeiten. Heute neige ich als Gamerin eher zu Indie-Spielen, denn ich liebe ihre leichte Zugänglichkeit, ihren innovativen Charakter und die emotionalen Botschaften, die sie transportieren. Als Designerin bewundere ich aber nach wie vor große AAA-Titel wie Red Dead Redemption II, die für mich einen großen Vorbildcharakter haben.

Wie bist Du auf die Idee gekommen, in der Gaming-Branche zu arbeiten?

Mein Werdegang war etwas ungewöhnlich. Ich habe Gesellschaftswissenschaften studiert und wollte Journalistin werden. Danach habe ich als Produktionsassistentin aber auch als assistierende Drehbuchautorin für Fernsehen und Independent-Filme gearbeitet. So lernte ich, wie eine Handlung entsteht und konnte gleichzeitig die beteiligten Personen sowie die finanziellen Aspekte der Film-Branche kennenlernen. Ich begann auch wieder zu schreiben, was ich während meines Studiums aufgegeben hatte. Meine erste Erfahrung im Gaming machte ich schließlich als Associate Producerin. Ab diesem Moment war ich von der Spieleentwicklung fasziniert. Denn hier lernte ich eine junge und dynamische Branche kennen, in der es ständig technische Neuerungen gab und in der sich alles um Teamwork drehte. Nach dieser Erkenntnis arbeitete ich einige Zeit lang als Freelancerin bevor ich die Anstellung bei DONTNOD annahm.

Hat dieser ungewöhnliche Werdegang Deinen Ambitionen in der Branche geschadet?

Wie viele Frauen in der Branche hatte ich ungerechtfertigterweise zunächst Angst, nichts Neues einbringen zu können. Aber ich habe bald gemerkt, dass meine vorherigen beruflichen Erfahrungen mich auf diesen Job indirekt vorbereitet haben. Ich hielt es anfangs für eine Schwäche, aus einer anderen Branche zu kommen; tatsächlich aber war es eine Stärke. Aus meiner Sicht werden in der Gaming-Branche ungewöhnliche Lebensläufe nicht nur akzeptiert – sie stellen sogar eine Bereicherung für das Projekt dar. Wenn man Personen nur anhand ihrer Studienabschlüsse anwirbt und alle von derselben Hochschule kommen, begrenzt man die Arbeitsweisen und Ideen des Teams. Sowas macht es schwieriger, vielfältige Spiele zu kreieren.

Gibt es diese Vielfalt in der Branche bereits?

In allen kreativen Branchen strebt man bereits seit einigen Jahren nach mehr Diversität – das gilt auch für die Gaming-Branche. Zwar trifft man Frauen hier schon öfters im Marketing, Personalwesen oder im künstlerischen Bereich, aber in der Entwicklung und Programmierung sieht das noch anders aus. Und viele entscheidende Prozesse spielen sich tatsächlich in der Programmierung ab. Ich habe schon Entwickler sagen hören, ihre Hauptfigur sei männlich, weil die visuelle Umsetzung eines Mannes einfacher sei. Wenn wir uns nicht die Zeit nehmen, mehr Vielfalt einzubeziehen, machen wir am Ende immer das Gleiche – sei es aus wirtschaftlichen Gründen oder aus Bequemlichkeit. Dasselbe gilt meiner Meinung nach auch für Skripte: Kommen mehr verschiedene Stimmen zu Wort, entfernen wir uns zwangsläufig von den Klischees. Wir brauchen diese Vielfalt – und damit meine ich Frauen genauso wie andere an den Rand gedrängte Bevölkerungsgruppen – in entscheidenden Positionen wie Executive Producer, Game Director oder in der Programmierung. Nur so lässt sich in Zukunft sicherstellen, dass Videospiele repräsentativer werden.

Bemerkst Du in heutigen Videospielen einen Fortschritt in Bezug darauf?

Mittlerweile gibt es zwar mehr weibliche Protagonistinnen und mehr Vielfalt in den Charakterprofilen, doch man stößt immer noch auf Klischees. Ältere, männliche Figuren mit einem komplexen Charakter treffen meist auf sehr schöne junge Frauen mit Idealmaßen. Meiner Meinung nach stehen wir bezüglich vielschichtiger weiblicher Figuren erst am Anfang. Denn oft sorgen sich Entwickler um negative Reaktionen oder schlechte Bewertungen aus Teilen ihrer männlichen Community, wenn sie zu ungewöhnliche oder unerwartete weibliche Figuren einführen. Ähnliches ließ sich beispielsweise bei den Reaktionen auf die jüngste Star Wars-Trilogie beobachten. Offensichtlich sind viele Entwickler nicht bereit, ein Risiko einzugehen. Wir haben das bei Life is Strange 2 selbst erlebt: Zum Release fanden einige das Spiel zu politisch, weil es unter anderem das Thema Rassismus aufgreift. Wenn ich heute in die sozialen Netzwerke schaue, habe ich aber den Eindruck, dass das Spiel zusehends auf mehr Interesse stößt – auch wegen der Black Lives Matter-Bewegung. Vielleicht haben einige Leute endlich erkannt, dass jene als zu politisch beschriebenen Motive, der ganz normale Alltag für ziemlich viele Menschen sind.

Fördern Indie-Spiele diese Art von Debatte? Erleichtern sie die Behandlung bestimmter Themen?

Ja, absolut! Bereits seit einiger Zeit sorgen Indie-Games immer wieder für Neuerungen und frische Ideen. Sie können es sich erlauben, Themen anzugehen, die als schwierig gelten und daher von AAA-Studios vielleicht eher nicht angefasst werden. Aber ich bezweifle, dass sie einen dauerhaften Einfluss haben, die vorherrschenden Denkweisen nachhaltig zu verändern – zumal sie sich immer an das gleiche, eher begrenzte Publikum richten. Andererseits ist es aber auch durchaus denkbar, dass Indie-Titel einen Vorbildcharakter für die gesamte Branche einnehmen können.

Welchen Rat gibst Du Frauen, die in dieser Branche arbeiten möchten?

Ganz allgemein darf man nicht zögern, sich zu bewerben – selbst wenn man sich nicht sicher ist, ob man den Anforderungen entspricht. Man verliert nichts, wenn man es versucht. Wir Frauen bekommen ohnehin zu viele Steine in den Weg gelegt. Da sollten wir uns nicht auch noch selbst im Weg stehen. Und meine persönliche Erfahrung hat mich gelehrt, dass man auch als Quereinsteiger*in gute Chancen hat. Das eigene Anderssein wird dann zu einem echten Vorteil. Wichtig ist, dass wir uns selbst die Frage stellen, was uns einzigartig macht.

Wir danken Macha Lopez dafür, dass sie sich Zeit für unsere Fragen genommen hat. Weitere Informationen zu Tell Me Why und die aktuellsten News aus dem Xbox-Kosmos findest Du hier auf Xbox Wire DACH.

Weitere Interviews dieser Serie: